900. Weihjubiläum Georgskirche
Am 7. Juli 1118 ist die Georgskirche in Amelunxen geweiht worden. Seitdem thront sie über dem Dorf und schon von weitem ist ihr wuchtiger Turm zu erkennen (der allerdings ca. 100 Jahre später gebaut worden ist). Zusammen mit der katholischen Pfarrkirche Peter und Paul prägt sie das Bild von Amelunxen. Trotz zweier Brände während des 30jährigen Krieges hat die Kirche ihre schlichte und beeindruckende romanische Gestalt erhalten. Sie ist eine Stein gewordene Predigt, die über die Jahrhunderte hinweg reicht.
Bereits am Donnerstag eröffnete das Dorf die mehrtägige Feier mit einem Konzert in der Georgskirche. 900 Jahre Musikgeschichte von der Romanik bis zur Moderne. Es wirkten mit: Gregorianik-Schola Marienmünster, Flötenkreis Gaudete Amelunxen, Posaunenchor Bruchhausen, Chorgemeinschaft Amelunxen, Kantor Hanzo Kim an der Orgel und Eva Tebbe am Klavier. Die musikalische Leitung hatte Peter Dyckhoff, der diesen musikalischen Hochgenuss organisierte.
Freitags folgte eine Leseperformance mit fünf Stationen zur Geschichte der 900 Jahre alten Kirche. Vorbereitet von einem kirchengeschichtlichen Seminar der Universität Paderborn unter der Leitung von Dr. Richard Janus.
Im Anschluss fand ein Dämmerschoppen im Festzelt statt.
Höhepunkt war der Samstag. Der historische Festumzug zog von der Wildberghalle zum ökumenischen Gottesdienst in die Georgskirche. Begleitet vom Spielmannszug Ottbergen und dem Posaunenchor Bruchhausen. Vor dem Einzug in die 1118 erbaute Kirche gab es eine Neuerzählung der Geschichte von St. Georg und dem Drachen. Gespielt von Sonja Franzen, Karin Graefe und Pfarrer Dieter Maletz.
Danach füllten sich die Bankreihen in der Kirche bis auf den letzten Platz.
„Kirche ist eine steingewordene Predigt.“ Mit diesen Worten begann Pfarrer Gunnar Wirth den Festgottesdienst.
Superintendent Volker Neuhoff fesselte die Zuhörer mit seiner Predigt.
Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst vom Flötenkreis Gaudete und vom Kirchenchor Cantate. An der Orgel Hans Theile.
Nach dem Festgottesdienst wurde rund um die Kirche bei einem Mitmachprogramm für Jung und Alt gefeiert. Für das leibliche Wohl war bestens gesorgt.
Abends begann der Tanz im Festzelt mit der tollen Band „Remmi-Demmi“.
Um 23.00 Uhr erleuchtete eine Feuershow die Dunkelheit. Mit ein bisschen Fantasie sah man einen Drachen Feuer spucken.
Der Sonntag begann mit einer Andacht. Anschließend wurde im Festzelt gefrühstückt. Dabei ließ die Kirchenband „Christi Road“ die Herzen der Zuhörer höher schlagen. Mit dem Sonntag endete das gelungene Festwochenende.
Text und Fotos: Dietmar Kanand
Ansprache von Pfarrer Gunnar Wirth
- Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
- Ikone: St. Georg hoch zu Ross sticht den fürchterlichen Drachen, der sich ihm zu Füßen windet, aber vollkommen chancenlos ist. Sie erinnern sich: nahe der Stadt Silena Drache in einem See, der die ganze Gegend mit seinem Gifthauch verpestet. Täglich zwei Lämmer zu opfern. Als keine mehr aufzutreiben sind, jeden Tag ein Kind. Dann fällt das Los auf die Königstochter, die nach herzzerreißendem Abschied von den Eltern an den See geht. Da kommt wie von ungefähr Georg auf dem Pferde und verspricht ihr Hilfe. Der Drache erscheint und Georg schwingt im Zeichen des Kreuzes die Lanze und durchbohrt das Untier, das zu Boden stürzt. Er veranlasst die Königstochter, ihren Gürtel zu lösen und den Drachen, der ihr wie ein Hündchen folgt, in die Stadt zu ziehen. Alle wollen fliehen, aber Georg winkt ihnen und verspricht, den Drachen zu töten, wenn sie sich zu Christus bekehren. Er erschlägt den Drachen, der König lässt sich mit allem Volk taufen und vier Paar Ochsen müssen das gewaltige Gewicht des Drachens aus der Stadt schleppen.
Soweit kennen Sie das vielleicht. Ist der jüngste Teil der Erzählung, 11. Jhdt. also gut 100 Jahre vor der Erbauung dieser Kirche. Spätestens im 4. Jhdt aber die alte Legende: Georg erlebt, wie unter den Verfolgungen des Kaisers Diokletian viele Christen vom Glauben abfallen. Bekümmert legt er sein ritterliches Gewand ab, verkauft seinen Besitz und verteilt ihn unter die Armen und tritt mitten unter das Volk mit den Worten: Alle Heidengötter sind böse Geister, unser Herr aber hat Himmel und Erde geschaffen. Da lässt ihn der Richter Dacian festnehmen, lässt ihn mit Nägeln blutig reißen und Salz in die Wunden reiben. Im Gefängnis erscheint Christus dem Georg, tröstet und stärkt ihn. Ein Zauberer soll ihn nun mit einem Giftbecher töten. Georg aber macht das Zeichen des Kreuzes über dem Becher und bleibt unverletzt. Der Zauberer bekehrt sich zum Christentum und wird enthauptet. Der Richter lässt Georg daraufhin alle Knochen brechen und ihn auf das Rad flechten. Als man den vermeintlich geschundenen Körper wieder abnimmt, zeigt er sich vollkommen unbeschadet. Nun soll er in einen Kessel mit siedendem Blei getaucht werden, um ihn zu töten, aber auch daraus entsteigt er wie aus einem guten Bade. Georg bedeutet dem Richter Dacian nun, er sei bereit zu tun, was dieser wolle. Der Richter lässt das ganze Volk zusammenrufen, damit es mit in den heidnischen Tempel gehe, um zu sehen, wie Georg den Göttern Opfer bringt. Der aber kniet nieder und betet und es fällt Feuer vom Himmel und verbrennt den Tempel und die heidnischen Priester. Die Erde tut sich auf und verschlingt die Trümmer des Heiligtums vor aller Augen. Der Richter, dessen Zähigkeit wir auch irgendwie bewundern müssen, lässt Georg nun von Pferden durch die Stadt schleifen – andere berichten, er habe ihn zerreißen oder vierteilen lassen. Sie ahnen schon: auch das hilft nicht. Dann aber wird er enthauptet – und aus Gründen, die mir überhaupt nicht einleuchten, stirbt er dann tatsächlich. – Das ist ja mal ein Martyrium! Gibt andere Varianten bei Laurentius z. B. Trotzdem atemberaubend. Meine Frau: Ein gruseliges, aber fast Kindliches Vergnügen an dieser Erzählung.
Viel Kindliches: Martin oder auch Nikolaus am Ende: Geh hin und tu desgleichen! Georg erst einmal der treue und standhafte Bekenner, zu der Zeit, als diese Kirche eingeweiht wird, aber vor allem der ritterliche Held und Retter, der wie ein Engel vom Himmel kommt und plötzlich da ist, als die Prinzessin am See steht und erwartet, dass das Ungeheuer sie verschlingt. Und tatsächlich ist er soetwas wie ein profaner Vertreter des Erzengels Michael, der ja im himmlischen Kampf auch den Drachen sticht. So eng beieinander, dass z. B. auf dem alten Siegel der KG Bruchhausen der Heilige Georg Flügel hat. Ikonographisch schwierig, aber es ist keinem so recht aufgefallen.
In der Zeit der Kreuzzüge, in der unsere Kirche dann Georgskirche genannt wird, geht es für die Ritter irgendwie auch um Nachfolge beim Georg. Und nach späterer Legende soll er den Kreuzrittern auch in weißer Rüstung vor Jerusalem erschienen sein, um sie für den Kampf gegen die Sarazenen zu ermutigen. Vielleicht, wenn man ein Pferd und eine Lanze hat, mag da etwas anklingen von „Tu desgleichen!“, für so ganz normale Menschen wie mich ist da nichts davon. Da ist einfach der überirdisch strahlende Held, von Gott gesandt, der aus der Not und Gefahr herausreißt, der schützt und rettet und bewahrt. Und so wird es auch für die Leute in Amelunxen gewesen sein. Und das hat etwas Kindliches: den Mächten ausgesetzt, schutzlos – und nur darauf vertrauend, dass ich gerettet werde, so als würde Vater oder Mutter mich vor dem bellenden und knurrenden Hund auf den Arm nehmen und schützen.
Und manchmal wird es auch keine andere Möglichkeit geben. Da können wir nur sagen: Hier stehe ich, Gott, hilf mir, rette mich, ich weiß nicht weiter und ich kann nicht mehr.
Und trotzdem glaube ich, dass in dieser Geschichte noch anderes steckt, dass da noch anderes versteckt ist. Und zwar ausgerechnet in der Drachenepisode. Da leben nun diese Leute in Silena und haben den Drachen im See vor der Stadt. Und das wissen sie: Wenn man dem jeden Tag zwei Lämmer – oder ein Kind – bringt, dann kann man sich arrangieren. Und das ist halt so und das kann man auch nicht ändern. Und dann braucht es erst einen Georg, der wie von ungefähr vorbeigeritten kommt, und sagt: Nein. Das wollen wir doch erst einmal sehen, ob man das nicht ändern kann. Und das werden wir jetzt ändern. Und das macht er natürlich nicht mal eben mit Links und da braucht es Gottes Kraft und seine Führung dazu, aber er macht es.
Das ist halt so und das kann man auch nicht ändern. – Damit wir uns recht verstehen. Das kann ausgesprochen lebensbejahend und entlastend sein und Kräfte freisetzen, wenn man nicht immer noch einmal und noch einmal fragt und überlegt, ob es nicht ganz anders sein müsste und ob man nicht noch so oder doch auch anders könnte. Man kann sich völlig vergrübeln oder völlig verkämpfen. Und da ist es unglaublich erleichternd und vor allem lebenspraktisch, sich einfach auf die Dinge einzustellen, wie sie sind und halt mit ihnen umzugehen. Und wenn Sie mich kennen, wissen Sie, dass ich das auch oft sage: Es ist, wie es ist. Und ich will dann nicht immer wissen, wie es gekommen ist und wie es vorher war und wer Schuld hat und was eigentlich sein könnte, wenn es so wäre, wie es sollte und wie man doch gedacht hat oder wie es schon immer war oder wie es früher war. Das will ich dann alles nicht wissen. Die Dinge sind, wie sie sind, und dann macht man halt das Beste daraus.
Aber hier, also in der Georgsgeschichte, werden die Kinder gefressen. Und da ist Schluss mit Pragmatisch. Da wird das, was an und für sich lebenspraktisch ist, lebensbedrohlich. Und das geht nicht. Und da braucht es einen entschiedenen Widerstand. Es gibt Dinge, die sind zwar, wie sie sind. Aber sie müssen sich ändern.
Die Geschichten, die von unserm Gott erzählt werden, sind genau solche Geschichten. Der Gott, von dem wir hören, steht nicht da und sagt: So ist es halt, dass die einen Herren und die anderen Sklaven sind. So funktioniert die Welt. Nein, mit ausgestrecktem Arm und großer Kraft hat er sie aus Ägypten geführt, aus der Sklaverei in das Land der Freiheit. In Jesus Christus begegnet uns dieser Gott, und der sagt nicht: Die einen sind halt krank und die anderen haben sich mit allen überworfen und die dritten haben schwere Schuld auf sich geladen. Er geht hin zu diesen, er heilt, er richtet auf, er versöhnt. Und Ostern schließlich ist der große Aufstand gegen den Zwang der Endlichkeit, gegen das endgültige Isso. Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staub ist nicht das letzte, was über uns gesagt wird. Sondern: Jesus Christus wird dich auferwecken am jüngsten Tage. Getauft sind wir. In seinen Tod getauft, damit wir, wenn wir mit ihm gestorben sind, auch mit ihm auferstehen.
Wer von dieser Hoffnung her kommt. Von der Hoffnung, dass nicht einmal die Unausweichlichkeit des Todes unüberwindbar ist. Wer von dieser Hoffnung her kommt, wird sich nicht einfach bange machen lassen, von denen, die immer schon wissen, dass man da sowieso nichts machen kann und dass alles auch nichts nützt. Wir sind getauft und mit Gottes Geist begabt. Und das ist nicht der Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
So sind die Leute halt – das wollen wir doch einmal sehen. Natürlich denkt jeder zuerst an sich – das wollen wir doch einmal sehen. Die vielen Fremden, das überfordert uns doch – das wollen wir doch einmal sehen. Wer aus so einer Familie kommt, der hat schon verloren - das wollen wir doch einmal sehen. Der Kreis Höxter ist eine sterbende Landschaft – das wollen wir doch einmal sehen. Haste Kinder, haste keine, wirste alt, bist du alleine – das wollen wir doch einmal sehen. Wir werden gut abwägen müssen, wo es Not tut, die Dinge nicht so zu nehmen, wie sie sind. Die meisten Dinge können wir getrost einfach hinnehmen und mit ihnen umgehen, so gut es geht. Aber wenn die Kinder gefressen werden, wenn es Spitz auf Kopf steht, dann gilt es. Wir werden uns manches Mal streiten, wann das der Fall ist. Und wahrscheinlich werden wir nicht immer einig. Aber bange machen gilt nicht. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.