Andachten zum Monatsspruch
Januar 2025
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Was, wenn wir Gewalt nicht mit Gegengewalt beantworteten, sondern mit Gesten der Freundschaft?
Was, wenn Hasskommentare mit Komplimenten beantwortet würden, mit Gesprächsangeboten und kleinen Gesten der Aufmerksamkeit?
Was, wenn wir unsere Widersacher einlüden, mit uns zu essen, anstatt uns zu wünschen, sie würden ins Gras beißen?
Was, wenn meine eigene Wut mit Freundlichkeit beantwortet würde?
Ich denke an diese Szene bei den olympischen Spielen im vergangenen Jahr: Im Beachvolleyball-Finale der Frauen ging es hoch her. Eine Meinungsverschiedenheit der gegnerischen Spielerinnen aus Brasilien und Spanien führte zu hitzigem Streit am Netz. Der Schiedsrichter geht dazwischen und kann die Lage doch kaum beruhigen. Da spielt der Stadion-DJ ein Lied ein: Imagine von John Lennon: „Stellt euch vor, es gäbe weder Himmel noch Hölle, keine Staaten, nichts, wofür man kämpfen oder streiten würde, auch keine Religion: Stellt euch vor, alle Menschen würden ihr Leben in Frieden leben, lasst uns gemeinsam davon träumen.“ Und auf einmal weicht die Aggression der Spielerinnen einem Lächeln, das Stadion jubelt und manche Träne kullert. Das Spiel wird friedlich zu Ende geführt.
Es ist paradox: Wir alle wünschen uns Frieden, ein freundliches Miteinander – und lassen uns doch immer wieder gegeneinander aufstacheln, geraten in Streit und Konflikte.
Ein anderes Beispiel: Nach jahrelangem Bürgerkrieg zwischen Regierung und den Rebellen der FARC beauftragt Kolumbien 2006 eine Werbeagentur mit einer Kampagne, den Krieg zu beenden. Kurz vor Weihnachten stehen mitten im Dschungel, nahe jener Pfade, die die Rebellen benutzen, hell erleuchtete und geschmückte Weihnachtsbäume: Feiert Weihnachten zu Hause, eure Familien warten auf euch, lautet die Botschaft. Hunderte Kämpfer desertieren. Was jahrzehntelange Gewalt nicht geschafft hat, schafft eine Botschaft des Friedens: Da sind Leute, die euch lieben, die sich nach Frieden sehnen. Damit begann ein Prozess, der einige Jahre später den Krieg beenden sollte.
Ein Neues Jahr beginnt. 2025 wird viel Neues mitbringen und manches Altes. Neue Regierungen, alte Streitigkeiten. Neue Herausforderungen, alte Freundschaften. Auch 2025 wird es Kriege und Konflikte geben, im Großen wie im Kleinen – und die Sehnsucht nach Frieden.
Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! (Lukas 6,27-28)
Was, wenn es uns gelänge, diesem Ratschlag zu folgen?
Vermutlich wird das auch 2025 im Großen und Ganzen utopisch bleiben, ein Traum. Zu tief sitzen manche Verletzungen, zu stark ist der Hass, zu unversöhnlich sind die Parteien, zu festgefahren die Fronten. Aber auch die Utopie, der Traum vom Frieden steckt schon voller Kraft. John Lennon hat es schon vor vielen Jahren besungen: Imagine, Stellt euch vor, dass wir in Frieden lebten, ohne Hass und Streit. Im vergangenen Sommer hat diese Vorstellung alleine im Schatten des Eiffelturms gereicht, einen handfesten Streit zu beenden. Lasst uns 2025 gemeinsam vom Frieden träumen, von Liebe statt Feindschaft, Freundlichkeit statt Hass, Segen statt Beleidigungen. Vielleicht wird aus Träumen dann Wirklichkeit.
Ein frohes, gesegnetes Neues Jahr wünscht
Ihr Pfarrer Tim Wendorff